Die Wahrheit über Selbstständigkeit als Alleinerziehende: Höhen und Tiefen
- Nastya Krech
- 2. Juli 2024
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 23. Aug. 2024

Als ich den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, war ich nicht voller Enthusiasmus und Tatendrang. Die Vorstellung, mein eigener Chef zu sein, war in Ordnung, aber meine Zeit selbst einteilen zu können, um meine Kinder nicht zu vernachlässigen, war essenziell, denn meine Zeit war sehr begrenzt. Wie bei den meisten Dingen im Leben ist die Realität oft komplexer und herausfordernder, als man es sich vorstellt. Heute möchte ich ehrlich über die Geschichte der Höhen und Tiefen meiner Selbstständigkeit als alleinerziehende Mutter sprechen.
Die Höhen
Die Selbstständigkeit hat viele positive Seiten. Die Freiheit, meine eigenen Entscheidungen zu treffen und mein Unternehmen nach meinen Vorstellungen zu gestalten, ist unbezahlbar. Ich kann meine Arbeitszeiten flexibel gestalten, was besonders als alleinerziehende Mutter von unschätzbarem Wert ist. Die Möglichkeit, Projekte zu wählen, die mich wirklich interessieren und mir Freude bereiten, ist ein weiterer großer Vorteil.
Einer der schönsten Momente wie ich zur meiner Selbstständigkeit gekommen bin, als ich meinen ersten Gelegenheitsauftrag erhielt. Eigentlich war es ein Zufall. Ich bekam in einem unpassenden Moment in meinem Leben einen Anruf von einem Designer namens Oleg, der Brautmoden herstellte. Er schlug mir eine gemeinsame Kooperation vor, um eine aufregende Kollektion zu entwerfen, sie in Deutschland zu präsentieren und in Berlin ein Brautmodengeschäft zu eröffnen. Zu diesem Zeitpunkt war ich in Trennung, beschäftigt, vieles für einen Neuanfang zu regeln und eine neue Wohnung zu suchen. Mein ganzes Erspartes ging für den Wohnungskauf und die Einrichtung drauf. Es war fast alles aufgebraucht.
Nach etwa sechs Monaten rief Oleg mich erneut an. Wir besprachen die Details und ich bat um drei Tage Bedenkzeit. Am nächsten Morgen rief mich meine Schwägerin an und teilte mir mit, dass sie und mein Schwager sich verlobt haben und ich ihre Trauzeugin sein darf. Eine tolle Nachricht! Ich schlug vor, das Brautkleid zu organisieren. Ich skizzierte ein Brautkleid nach ihren Vorlieben und Maßen und ließ es anfertigen. Das Kleid war traumhaft schön und qualitativ perfekt. Von dem Gewinn und etwas Erspartem stellten wir noch drei neue Designs her, ließen sie professionell ablichten und stellten sie bei eBay Kleinanzeigen ein. In kürzester Zeit kamen die ersten Bräute. Ich richtete schnell ein kleines Apartment als Brautstudio mit etwa zehn Kleidern ein, meldete ein Kleingewerbe an, erstellte eine Webseite und es ging los. Nach sechs Monaten wechselte ich zu einer regulären Gewerbefläche in Berlin Steglitz.
Die bedeutendste Bestätigung, dass meine Arbeit geschätzt wird und dass ich etwas Wertvolles anbiete, kam auch von meinen Kindern. Das hat mir enormen Antrieb gegeben. Jeder Erfolg, jede positive Rückmeldung und jedes erreichte Ziel gab mir das Gefühl, endlich auf dem richtigen Weg zu sein und lenkte mich von meinem Trennungskummer ab. Es half mir, den größten Arschloch auf Erden zu vergessen, zu vergeben und nach vorne zu schauen.
Wie paradox: Nach einer Trennung ein Geschäft zu gründen, das mit Liebe und Ehe zu tun hat, während meine eigene Ehe den Bach runterging. Wenn du mich fragst, ob ich an die Ehe glaube, würde ich sagen: "Ich glaube an die Liebe."
Die Tiefen
Doch die Selbstständigkeit bringt auch viele Herausforderungen mit sich. Einer der größten Nachteile ist die finanzielle Unsicherheit. Anders als in einem Angestelltenverhältnis gibt es keine garantierten monatlichen Einnahmen. Es gibt Zeiten, in denen Bestellungen oder Aufträge rar sind und die Existenzängste größer werden. Diese Phasen sind besonders schwierig, weil sie nicht nur mich, sondern auch meine Kinder betreffen.
Ein wichtiger Punkt, den viele Neu-Selbstständige unterschätzen, ist der berühmte Tanz mit dem Finanzamt – die Steuerbelastung. In den ersten Jahren sollte man bis zu 50 Prozent des verdienten Umsatzes zur Seite legen, um die Steuern und Abgaben an das Finanzamt decken zu können. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass das Finanzamt einen in den ersten Jahren oft in Ruhe Umsatz machen lässt, doch wenn die Zeit gekommen ist, muss man in kürzester Zeit Einkommensteuer und Co. auf einmal bezahlen und/oder nachzahlen. Ich habe auch erlebt, dass manche Neu-Selbstständige danach Insolvenz anmelden mussten. Diese steuerlichen Nachforderungen können sonst zu einer unangenehmen Überraschung werden und die finanzielle Stabilität gefährden. Dieser Aspekt erfordert Disziplin und sorgfältige Planung, um nicht in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Auch wenn du einen guten Steuerberater hast, denke daran: Er ist nur für die lückenlose Ordnung deiner Rechnungen und die Kommunikation mit dem Finanzamt zuständig. Ein Steuerberater ist kein Finanzberater.
Ein weiteres großes Thema ist der immense Arbeitsaufwand in der Organisation. Selbstständig zu sein bedeutet oft, dass die Arbeit nie wirklich aufhört. Es gibt immer etwas zu tun, sei es Kundenakquise, Buchhaltung oder die Weiterentwicklung meiner Dienstleistungen. Der Druck, ständig verfügbar und produktiv zu sein, kann überwältigend sein und zu Erschöpfung führen. Viele schlaflose Nächte mit Überlegungen, was man falsch gemacht hat, gehören dazu. Ich musste lernen, dass ein Brautmodengeschäft seine Saisons hat und dass man in der Nebensaison über die Runden kommen muss.
Ich musst auch sagen, dass eine selbständige alleinerziehende Mutter in Deutschland aufgeschmissen und völlig allein ist. Sie bekommt keine Hilfe oder Unterstützung – in jeglicher Hinsicht. Es sei denn, du hast ein gutes Familienverhältnis und sie sind bereit zu helfen, indem sie manchmal aufpassen, wenn du Aufträge hast. Ich hatte nicht so viele Möglichkeiten und Gelegenheiten, da ich ein schwieriges Verhältnis mit meiner Mutter pflege und sie keine Kinder mag. Meinen Vater kenne ich nicht, und er lebt woanders. Mit Freundschaften ist es auch immer ein verkatertes Spiel: Jeder ist bereit, dir sein letztes Hemd zu geben, wenn du am Boden bist. Allerdings ist es anders, wenn du vorwärtsgehst und deine Ziele erreichst; dann bekommst du selten Unterstützung und machmal wenden sich auch Freunde ab.
Der Balanceakt
Die größte Herausforderung ist jedoch, die Balance zwischen Beruf und Privatleben zu finden. Als selbstständige, alleinerziehende Mutter muss ich ständig jonglieren, um beiden Rollen gerecht zu werden. Es gibt Tage, an denen ich das Gefühl habe, als Mutter nicht zu 100 % präsent zu sein. Diese Momente sind sehr hart, aber sie zwingen mich auch, Prioritäten zu setzen und realistische Erwartungen an mich selbst zu haben. Zum Beispiel gewinnt die Partnersuche oder mal ein Date keine Priorität und ist aus Zeitmangel nicht möglich.
Fazit
Die Selbstständigkeit als alleinerziehende Mutter ist ein krasses risikoreiches Abenteuer mit vielen Höhen und Tiefen. Sie erfordert Mut, Durchhaltevermögen, die Fähigkeit für Organisation und sich immer wieder neu zu motivieren. Trotz der Herausforderungen würde ich diesen Weg jederzeit wieder wählen, denn die Freiheit und Selbstbestimmung, die er mit sich bringt, sind für mich unbezahlbar.
Wenn du auch den Weg in die Selbstständigkeit gehen möchtest, sei dir der Herausforderungen bewusst, aber lass dich nicht entmutigen. Die Höhen und Tiefen gehören dazu und machen das Leben bunt, aufregend und lebenswert. Bleib ehrlich zu dir selbst, das hilft auch in schwierigen Zeiten die Perspektive zu bewahren.

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